„Ich seh, mein Sohn, du bist ’n bisschen durcheinander
Von der Lumpenpazifisten-Propaganda
Drück endlich den Abzug, Mann, wir haben keine Wahl
Oder sind dir Menschenrechte scheißegal?“
(K.I.Z – Frieden (2024))
Liebe Kommiliton:innen,
im Sommersemester 2025 startet im Fachüberschreitenden Bereich (FüB) ein neuer Durchgang des studentisch erstrittenen Projektstudiums „Universität in gesellschaftlicher Verantwortung“. Wir möchten Euch zu diesem zweisemestrigen Durchgang herzlich einladen, der im Zeichen kritischer Friedenspädagogik in Theorie und Praxis stehen wird.
Nachdem in den 1980er Jahren der Slogan „Frieden schaffen ohne Waffen“ in vieler Munde war, soll „Frieden“ heute – vielfach mit Verweis auf die Menschenrechte – durch Krieg geschaffen werden. Dies bringt eine Militarisierung der verschiedenen gesellschaftlichen Bereiche mit sich – nicht unwidersprochen von studentischen, zivilgesellschaftlichen und politischen Akteuren.
Die Kriege in Israel/Palästina, der Ukraine und anderswo, das „Sondervermögen“ für die Bundeswehr, „Staatsräson“, „Zeitenwende“ und „Kriegstüchtigkeit“, das Anliegen, Mittelstreckenraketen in der BRD zu stationieren, Jugendoffiziere, die in den Schulen für den Heeresnachwuchs werben, aber auch der Versuch, die Hochschulen durch die Abschaffung von Zivilklauseln für die Rüstungsforschung fit zu machen, sind gewichtige Gründe, eine kritische Friedenspädagogik zu reanimieren und wieder in der Universität zu verankern. Auf dieser Grundlage haben wir die Möglichkeit, gemeinsam klüger, sprech- und handlungsfähig zu werden, um als (angehende) Pädagog:innen in vielerlei Einrichtungen, nicht zuletzt an und aus der Uni, dazu beizutragen, Frieden zu schaffen.
Gespeist vom Widerstand auf der Grundlage kritischer (marxistischer) Gesellschaftstheorie gegen Aufrüstung, Mobilmachung und Krieg, nahm die Pädagogik für den Frieden ab Ende der 1960er Jahre eine bedeutende Rolle an Schulen, außerschulischen Bildungseinrichtungen und vor allem an den Hochschulen der BRD ein. Ihre historisch-kritische Prägung setzt bis heute Maßstäbe, wenn es darum geht, den Mentalitäten und Interessen, die für den Krieg nützlich und notwendig sind, aufzudecken und dagegen Perspektiven friedensfähiger Gesellschaften zu entwerfen. So hat sie „seit ihrer Entstehungsphase Stellungnahmen zu bildungspolitischen Entscheidungen, Analysen historischer und zeitgenössischer Lehrmittel, didaktische Reformvorschläge und Curricula zur Friedenserziehung, vielfältige aufklärerisch ambitionierte Informations- und Unterrichtsmaterialien für die Arbeit in Schulen, Hochschulen, in der Lehrerfortbildung, in museums- und freizeitpädagogischen Projekten, ‚Friedenswerkstätten‘ oder für die Öffentlichkeitsarbeit [offeriert]“ (Weiß 2011: 6).
Sie büßte jedoch nach ihrer Blüte Mitte der 1970er Jahre weitestgehend ihre Widerständigkeit ein, indem sie von sowohl „New-Age“-Ideologen und postmoderner Theorie als auch durch den Entzug von Fördermitteln entweder überformt oder randständig wurde. Hip wurde die Vermittlung individualisierender Friedfertigkeitsappelle und Konfliktvermeidungstrainings im Zeichen von Friedensbildung.
Wir wollen im Projektstudium stattdessen gemeinsam lernen, „konsequent auf soziale Bedingungsfaktoren von Friedlosigkeit [zu] reflektieren und verändernd ein[zu]wirken“ (Weiß 2011: 3).
Vorgehen
Nach dem ersten Semester, in dem wir uns mit dem Ansatz der kritischen Friedenspädagogik und auf dieser Grundlage mit den aktuellen Kriegen in Israel/Palästina und NATO/Russland/Ukraine und deren Ursachen, Hintergründen und Legitimationen auseinandersetzen wollen, werden wir im zweiten Semester verschiedene außerschulische Bildungseinrichtungen und Vertreter:innen der Friedenspädagogik in Wissenschaft und Praxis befragen, ob und wie „Krieg und Frieden“ in der pädagogischen Praxis thematisiert wird. Diese Ergebnisse sollen im Rahmen eines Lehrfilms friedenspädagogisch ausgewertet und für Kommiliton:innen und Kolleg:innen aufbereitet werden.
Kenntnisse im Umgang mit der Kamera sind nicht erforderlich, dafür aber die Lust an Diskussion und gemeinsamer Vertiefung.
Wir freuen uns über eure Teilnahme und auf zwei Semester intensiver Auseinandersetzung.
Das Seminar findet wöchentlich donnerstags von 12:15 – 13:45 Uhr statt.
Literatur
Bernhard, Armin (2017): Pädagogik des Widerstands. Impulse für eine politisch-pädagogische Friedensarbeit, Weinheim, Beltz Juventa.
Gamm, Hans-Jochen (1968): Aggression und Friedensfähigkeit in Deutschland. München, List.
Holzkamp, Klaus (1983): Argument und Gefühl in der Friedensdiskussion, in: Betz, K./ Kaiser, A.: Wissenschaft zwischen Krieg und Frieden. Beiträge einer Konferenz, Berlin, VAS, S. 297-304.
Kühnl, Reinhard (2003): Krieg und Frieden, Heilbronn, Distel.
Senghaas, Dieter (1969): Abschreckung und Frieden. Studien zur Kritik organisierter Friedlosigkeit, Frankfurt am Main, Europäische Verlagsanstalt.
Zitat im Titel: ehemal. Bundespräsident Gustav Heinemann (1969)
Weiß, Edgar (2011): Kritische Friedenspädagogik – Schwundphänomen und Reanimationsbedarf, Vortrag vom 17.11.2011, [online] https://www.kultur-und-bildung-siegen.de/downloads/ [21.01.2025].
Infos zur Anmeldung:
Die Anmeldung zu Veranstaltungen, die im Fachüberschreitenden Bereich (FÜB) angeboten werden, ist leider etwas kompliziert, aber es lohnt sich, die Hürden zu nehmen. Die Anmeldung erfolgt über STiNE. Das Seminar hat die Nummer 47-022. Wenn ihr an dem Seminar teilnehmen möchtet, meldet euch in jedem Fall auch per Mail an Sinah.Mielich[at]uni-hamburg.de.
Nähere Informationen zum FÜB sind hier zu finden: https://www.ew.uni-hamburg.de/studium/studiengaenge-ew/stud-eub-ba/fueb-wp/aktuelles-termine.html